Samstag, 20. Juni 2015

Siebter Tag - unterwegs in Siebenbürgen

Abends laufen ja oft die besten Gespräche. Mit dem Leiter der Diakonie, Dr. Artur Sarosi, und dem Diakoniepastor Istvan Kovacs verbrachten wir einen anregenden Abend in Klausenburg. Fazit ungefähr: Die Roma mehr zu integrieren ist eigentlich der einzige Weg, die sterbenden Gemeinden zu retten. Und wenn man sich ihnen zuwendet stellt man fest: sie sind gar nicht so anders als wir. Sie sind strebsam und ordentlich, wenn man ihnen die Gelegenheit gibt. Alle Seiten gewinnen.

Arbeit mit Roma in Mera
Agnes Pattantyus zeigt uns das Projekt. (Sie ist die Tochter von Prof. Gereb, der damals in den 90ern das theologische Institut leitete, als meine Frau und ich als Deutschlehrer da waren - das ist tatsächlich schon 20 Jahre her!)

Das Projekt in Mera wurde vom jetzigen Leiter der Diakonie in Klausenburg, Dr. Artur Sarosi, gegründet und ist heute ein Beispiel für viele Projekte im Land. Die Grundidee von Sarosi ist: die Roma wahrnehmen. Und aus dieser Grundhaltung entwickelt sich viel positives für beide Seiten. Die ungarisch-reformierten Gemeinden bekommen neues Leben und die Roma eine Zukunft. Heute gibt es in Mera ein Pflegeheim mit bald 30 Plätzen, ambulante Pflege und das Kinderprojekt.
Der Beginn war eine Arztpraxis. Viele Roma im Dorf hatten keine Pässe, man konnte sie nicht abrechnen (bis heute sind viele Roma nicht registriert. Offiziell gibt es 2 Mio. Man rechnet mit 8 Mio. In Rumänien bei etwa 17 Mio Einwohnern). So wurde das Potenzial der Roma entdeckt.
2001 begann die Arbeit mit den Kindern in der Schule. Ziel: bessere Bildung für Romakinder. Man brauchte aber auch Essen. Gekocht werden durfte in der Schule nicht. Also raus aus der Schule in ein Haus im Dorf. Seit 2004 wurde gebaut, es entstand ein Pflegeheim mit 2 Räumen für die Arbeit mit den Kindern. Bald entstand die Frage, was passiert nach der 4. Klasse? Und die Erkenntnis, man muss eigentlich schon im Kindergarten mit der Bildungsarbeit beginnen. 2009 wurde es zum EU Projekt, was viel Aufwand kostet und die Gelder kommen oft erst nach 2 Jahren, was überbrückt werden muss. Keiner aus der EU  kommt zu den Projekten, was viel Missbrauch hervorbringt. Viele Projekte existieren nur auf dem Papier. Also auch viel Misstrauen von Seiten der EU, was noch mehr Dokumentationspflichten hervorruft.

In der Zwischenzeit nehmen auch ungarische Kinder an dem Pogram teil. Jedes Jahr werden einfach die 50 ärmste Kinder ausgewählt. Es vermischt sich langsam. Erst wollten die Ungarn nicht zusammen mit den Roma gefördert werden. Die Roma lernen viel in Hygiene (Läuse), Lebenseinstellung (Disziplin, regelmäßiger Schulbesuch, Benehmen) und Bildung. Eltern sind hier oft keine Vorbilder, es kostet viele Hausbesuche, die vormittags erledigt werden.

Die ersten Kinder wechseln schon auf weiterführende Schulen auch in Klausenburg. Dort müssen sie hohe Hürden überwinden, weil ihnen mit Vorurteilen begegnet wird und sie besser sein müssen als andere. Damit erfüllt sich das eigentliche Ziel des Projektes: die Schule beenden und einen Beruf erlernen.

In der Zwischenzeit wurden in 15 Ortschaften Projekte nach dem Modell Mera gegründet. Der Erfolg hängt auch oft vom Bürgermeister und vom Ortspastor ab, deren Meinung in den Dörfern viel zählt.
Dies geschieht nicht nur in ungarischen Dörfern, auch in rumänischen und dann auch in der rumänischen Sprache.
Anders als in Mera werden in den anderen Orten die Räumlichkeiten von der Kommune oder anderen Partnern vor Ort gestellt.

(Es beschleicht mich der Gedanke, dass die hiesigen ungarischen und bestimmt auch die deutschen Dörfer und Kirchen erleben, was Europa insgesamt bevorsteht. Das Absterben der alten Kultur und die sprühende Jugend der Roma. Entweder man führt sie an unsere Kultur heran, oder mit ihnen entsteht etwas ganz Neues. Die Zukunft scheint ihnen ohnehin zu gehören. - Aber das ist nur ein Gedanke.)

Agnes Pattantyus führt uns durch die Romasiedlung in Mera.

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